Noch 22 Tage bis zum Eurovision Song Contest 2024


In -Der Blog "Liebesgrüße aus Moskau"- berichtet Frank Albers zusammenfassend über die
Geschehnisse, Erlebnisse und Eindrücke in und um Moskau 2009


Aktualisierung | Seite: 1

11.05.2009 17:20 Frank Albers, Stuttgart
Tag 5: Donnerstag, 7. Mai 2009

Miss Russia wirbt fuer Deutschland

Die Russen lieben schoene Frauen. Gut, dass tun andere auch. Aber irgendwie hat man hier in Moskau das Gefuehl, dass schoene Frauen noch wichtiger sind als anderswo, um Verkaufszahlen fuer schnelle Autos, Kuehlschraenke und Traumreisen zu verkaufen oder um Gaeste in elegante Restaurants oder teure Bars zu locken. Und so ist es natuerlich nicht erstaunlich, dass auch der ESC 2009 von einer schoenen Frau beworben wird. Aber nicht von irgendeiner sondern von der schoensten von allen, der russischen Miss World 2008 Xenia Suchinowa. Jedes teilnehmende Land bewirbt sie in einem anderen Outfit und einer anderen, mehr oder weniger landestypischen, Frisur. Auch Deutschland wird von ihr nicht verschont. Mit blonder Perruecke prangt sie von Bushaltestellen, Hauswaenden und in U-Bahnstationen. Natuerlich haengt sie auch ueberlebnsgross an der Aussenwand der Olympiahalle. Folgt man den Plakaten, entspricht die Vorstellung der Russen von einer deutschen Frau also der einer strengen, langhaarigen Blondine im Sportlerinnenlook, in Startpostion fuer ein olympisches 100m Rennen. Immer leistungsbereit eben.

(Foto: Wolfgang Grube)




08.05.2009 10:36 Frank Albers, Stuttgart
Tag 4: Mittwoch, 6. Mai 2009

Der EURODOM wird eroeffnet - die Parties gehen los

Wichtigster Bestandteil einer Reise in die Eurovisions-Welt sind (neben der Musik und dem Wettstreit) natuerlich die unzaehligen Empfaenge und Parties. Viele sehen in diesem Akt der direkten Voelkerverstaendigung ohnehin den wichtigsten Beitrag des Eurovison Song Contests zur europaeischen Vereinigung. Was in fruehen Jahren relaitiv unorganisiert begann, mit kleinen Delegationsparties in irgenwelchen Bars oder Discotheken in unterschiedlichsten Ecken der Gastgeberstadt ist in letzter Zeit zunehmend in die enge Regie der gastgebenen Organisatoren uebernommen worden. Grosse zentrale Partylocations kamen erstmals in Kiew in Mode und wurden im Konzept immer weiter verfeinert. Kurz und gut, in diesem Jahr gibt es in Moskau den EURODOM (sprich Evrodom). Ein Tanztempel, der mit grossem Aufwand in die alte Menagerie am Roten Platz eingebaut wurde. Hier gibt es auf mehrern Ebenen Bars, Tanzflaechen, einen DJ-Turm und vieles mehr - und das alles sehr gestyled und cool. Hier werden in den naechsten Tagen nahezu alle Delegationsparties stattfinden, der offizielle Eroeffnungsempfang ausgerichtet und die Aftershowparties nach den Halbfinals und dem Finale gefeiert. An alles wurde gedacht, alles ist nur vom feinsten. Der Dom wurde so auch heute gebuehrend mit viel Sekt und ordentlich Pomp eroeffnet, indem sich ein riesiger Vorhang oeffnete und den auf einem Balkon stehenden Journalisten den Blick in die griesige Halle freigab. Nur die Zielgruppe haben die russischen Organisatoren irgendwie falsch eingeschaetzt, denn die diversen halbnackten GoGoGirls fanden bei den Besuchern der ersten EURODOM-Nacht wenig Beachtung.



08.05.2009 10:16 Frank Albers, Stuttgart
Tag 3: Dienstag, 5. Mai 2009

Altsozialistische Fahnenspiele beim ESC 2009

Russland ist bekannt fuer seine gandenlose Neuausrichtung auf Turbokapitalismus und grenzenlos freie Marktwirtschaft. Andererseits pflegen die Russen eine erstaunliche nostalgische Anhaenglichkeit an alte sowjetische Symbole. Lenin gilt immer noch als groesster und wichtigster Russe des 20. Jahrhunderts, seine Denkmaeler sind in der ganzen Stadt zu finden. Hammer und Sichel prangen von Brueckengelaendern und in U-Bahnstationen. Und auch die Freude an Massenchoreographien wie man sie heute noch aus Nordkorea kennt oder von den ehemaligen Weltjugendspielen in Ostberlin und den Olympischen Spielen in Moskau 1980 in Erinnerung hat, erfreuen sich noch grosser Beliebtheit. Und daher werden wir auch beim diesjaehrigen ESC in den Genuss freudiger Fahnenchoreographien kommen. Heute wurde schon eifrig geprobt und ein ganzer Tribuehnenblock russischer Freiwilliger wurde angeleitet wann welche Stoffe hochzuhalten, zu wenden, zu wedeln und zu werfen sind. Dazu wird kraefig aufgesprungen und gejubelt. Die Hollaender, die parallel dazu probten, wussten gar nicht wie ihnen geschah, als ihnen aus hundert Kehlen zugejubelt wurde. Alles unter strenger Choreographie natuerlich.



05.05.2009 10:32 Frank Albers, Stuttgart
Tag 2: Montag, 4. Mai 2009

Panzer unter Eurovisions-Fahnen

Der 9. Mai ist in Russland ein wichtiger Feiertag, an dem bekanntlich dem Sieg ueber Nazi-Deutschland am 9. Mai 1945 gedacht wird. An diesem Tag praesentiert die russische Armee all ihre verbliebene Staerke. Dazu rollen hunderte Kampfpanzer, Wagen mit gigantischen Raketenabschussrampen fuer die SS20 und andere Militaerfahrzeuge die breite Einkaufs- und Flanierstrasse Tverskaja zum Roten Plaz hinunter, wo die Politikspitze Russlands wie in alten sowjetischen Tagen die Parade abnimmt. Das Volk steht fotografierend am Strassenrand.

All dies muss natuerlich geprobt werden und so rollten am Montagabend die Panzer schon einmal testweise die Strasse, an der unser Team ein Appartment gemietet hat, herunter. Unheimliches und martialisches Gerassel der Panzerketten droehnte durch die Strassenschluchten, die Haeuser vibrierten, dass uns der Schrecken durch Mark und Bein fuhr. Als der endloslange Militaer-Konvoi mit irrer Geschwindigkeit dann unter einem ueber die Strasse gespannten ESC-Transpartent hindurch donnerte, war das Groteske dieses Auftritts auch bildlich greifbar. Der friedliche Eurovison Song Contest und rollende Panzer das passt so gar nicht zusammen. Die Moskauer haben damit allerdings weit weniger Probleme als der deutsche Beobachter. An Kontraste dieser Art sind sie in ihrer Stadt gewoehnt.




04.05.2009 12:52 Frank Albers, Stuttgart
Tag 1: Sonntag, 3. Mai 2009

Moskau im Rausch der Geschwindigkeit und die Suche nach dem ESC.

Unser Fahrer vom Flughafen Vnukovo im Sueden Moskaus zeigte uns bei der Einfahrt nach Moskau voller Stolz das silbern funkelnde Gagarin-Denkmal, dass aussieht, als wolle es voller Energie den legendaeren russischen Kosmonauten und Nationalhelden erneut in die Erdumlaufbahn schiessen. Die auf dem achtspurigen Lenin-Prospekt vorbeirasenden Autofahrer scheinen von so viel eleganter Dynamik zusaetzlich angespornt, ihren beisitzenden Freundinnen die PS-Kraft ihrer neuen deutschen Luxuskarosse zu demonstrieren. Und so schiesst in dieser Stadt zunaechst alles dahin. Alles ist Tempo, denn Zeit ist Geld und Erfolg und das ist es, was in diesem neuen Russland zaehlt. Am Strassenrand fliegen internationale Popgroessen wie Lara Fabian, Mylene Farmer und die Toten Hosen vorbei, die zwischen Elektrofirmen, Softdrinks und Babywindeln ihre anstehenden Auftritte in Moskau bewerben.
Trotz vorheriger Unkenrufe verlief auch die Einreiseabfertigung am Flughafen aehnlich rasant wie unsere anschliessende Fahrt in die Innenstadt. Ehe man sich auch nur orientiern konnte, wurde man samt Gepaeck auf einen dichtgeparkten Vorplatz des Flughafens gespuelt, begleitet von laut plappernden Maennern, die ihre Taxifahrdienste anpriesen.

Moskau erlebt an diesem Sonntag einen seiner ersten Fruehlingstage. Bei 20 Grad stroemen die Moskoviter in die Strassencafes, haengen leicht beschuerzt an den oeffentlichen Brunnen, lassen sich unter freiem Himmel neue Bildchen auf den Bauch taetowieren und bevoelkern voller Stolz den beruehmtesten und groessten Platz der Welt: den Roten Platz vor dem prachtvollen Kreml, dessen goldene Kuppeln wie kitschige Postkartengrusse in der Sonne leuchten. Alles ist nicht nur schneller als in anderen Stadten, alles scheint auch sehr viel groesser als man es aus Berlin und anderen europaeischen Staedten gewohnt ist.

Der Eurovision Song Contest ist an diesem Sonntag allerdings noch fern. Zwar haengen ueberall ueber den grossen Alleen, die hier Prospekt heissen, grosse bunte ESC-Transparente, aber so richtig beschaeftigt haben sich die 11 Millionen Moskoviter mit diesem Megaevent in ihrer Stadt noch nicht. Und um ueberhaupt eine Chance zu erhalten, in den naechsten Tagen und Wochen wahrgenommen zu werden, muss das russische Fernsehen so richtig klotzen. Mit Kleckern ist in dieser Stadt nichts zu holen. Daher kann die Show auch nur in einer der groessten Hallen der Welt ausgetragen werden und die zentrale Partylocation des ESC auch nur in der riesigen Ausstellungshalle direkt am Roten Platz eingerichtet werden. Noch laufen dort die Umbaumassnahmen, ab Mittwoch ist dann aber angeblich alles fertig.

Unsere Vermieterin hatte schon vom ESC in Moskau gehoert und brennt seit Tagen voller Neugierde vor allem darauf, wie sich die "Ukrainerin", die Russland in diesem Jahr repraesentiert, so verhalten wird. Wird sie den russischen Beitrag tatsaechlich zur Haelfte auf Ukrainisch singen? Sie findet das ziemlich empoerend und sieht darin schlicht einen Verrat an der russischen Kultur. In ihren Augen nur ein weiterer Schritt des Niedergangs. Ich habe ihr dann ersteinmal nicht erzaehlt, dass unser deutscher Beitrag vollstaendig in Englisch gesungen wird und dass in der Vergangenheit auch so manch russischer Beitrag in der Sprache des ehemaligen Klassenfeindes praesentiert wurde. Sie haette die Teilnehmer am ESC fuer endgueltig und hoffnungslos bescheuert erklaert. Und glauben wuerde sie es ohnehin nicht. Ich werde sie vorsichtig an diese fuer sie erschuetternde Wahrheit heranfuehren muessen.

Bis morgen Euer
Frank


Aktualisierung | Seite: 1

.