Zweite Probe und Pressekonferenz Schweden: Cornelia Jakobs trotz Pannen zuversichtlich
6. Mai 2022 Karl Jakob
Schweden sei das “Strong Horse” in der Eurovisions Community, bemerkte eine Journalistin bei der heutigen Pressekonferenz zu Cornelia Jakobs. Wenn man von dieser Aussage ausgeht, müsste eigentlich alles für die erfolgsverwöhnten Schweden wie am Schnürchen laufen und ohne Probleme klappen. Doch weit gefehlt. Nach den kleinen Pannen in der ersten Probe schien das Soll an Pannen bereits erfüllt zu sein und schlimmer kann es kaum noch kommen. Doch heute erwischte das Team um Cornelia Jakobs einen rabenschwarzen Tag. Schon der Zeitplan lief aus dem Ruder und die Probe konnte erst mit einer 45minütigen Verspätung starten und dann folgte eine Katastrophe nach der anderen. Das Mikrophon der Sängerin fiel aus, über die In-Ear-Kopfhörer konnte sie anscheinend nichts hören und die Probe musste ständig unterbrochen werden. Hinzu kamen weitere Probleme mit der Bühnentechnik und die Kameraführung war anscheinend auch durcheinander, da ständig ein Bühnenarbeiter durchs Bild lief. Cornelia macht zwar gute Mine zum bösen Spiel und saß fast die ganze Zeit in ihrer Anfangspose auf der Bühne und versuchte nicht genervt zu wirken.
An den Schweden kann dieses Desaster nicht gelegen haben, denn der Auftritt von Cornelia Jakobs wurde im Vergleich zum Meldifestivalen kaum verändert. Auf der Bühne steht die große Drehscheibe, die im Laufe des Auftritts in verschieden Farben leuchtet und selbst das Bühnenoutfit ist gleich. Schwarze Hose mit schwarzem Bustier und darüber ein Überwurf aus silber glitzernden Ketten. Auch die Schritte und Posen auf der Bühne waren ähnlich wie beim Melodifestivalen in Stockholm.
Letztendlich kam es doch noch zu einem ganzen Durchlauf, bei der man aber Cornelia Jakobs anmerkte, dass sie ziemlich genervt war. Der Gesang war manchmal daneben und sicherlich war sie froh, als die Probe beendet war.
In der anschließenden Pressekonferenz war von all dem nichts mehr zu spüren. Cornelia Jakobs absolvierte die Pressekonferenz locker und sehr professionell. Bei ihrer Ankunft im Konferenzsaal gab es Applaus und um ihre gute Laune zu demonstrieren legte sie sich sogar quer auf’s Pult und poste mit den Kameras.
Zu ihrem ärmellosen Hosenanzug trug sie lange giftgrüne Handschuhe und an den Fingern dicke Ringe, die sie dekorativ in die Kamera hielt.
Natürlich kamen Fragen zu der missglückten Probe auf. “Bei einem Auftritt muß das Zusammenspiel zwischen Ton, Licht und der Kamera funktionieren, aber es gibt Tage, an denen dies nicht klappt und Fehler können passieren, erklärte sie verständnisvoll. Mit den Verantwortlichen wurden Gespräche geführt und sie ist ziemlich zuversichtlich, dass bis zur Generalprobe alle Mängel und Fehlerursachen behoben seien.
Cornelia Jakobs kann auf eine lange musikalische Karriere zurückblicken. Sie war Mitglied der Band Love Generation und tourte später mit einer Freundin im Duett und mit House Music durch Skandinavien. Längere Zeit war es still um sie geworden und nun möchte sie noch einmal voll durchstarten. Es sind langjährige Freunde mit denen sie ihren sehr persönlichen Song geschrieben hat und und in diesem Kreis fällt es ihr nicht schwer ihre wahren Gefühle zu zeigen, die nun in dem so schönen Lied “Hold Me Closer” verpackt sind.
Fotos: EBU / Screenshots
Zweite Probe und Pressekonferenz Rumänien: Frivoler Tanz und zärtliche Berührungen
6. Mai 2022 Sigi Doppler
Ähnlich wie bei der rumänischen Vorentscheidung Anfang März scheint nun auch die Inszenierung von “Llámame” in Turin fast unverändert über die Bühne zu gehen. Lediglich die Kleidung von WRS und seinen vier Tänzern ist verändert, aber ansonsten wird vieles bei der Inszenierung in Turin ähnlich ins Bild gesetzt, wie schon bei der Selectia Nationala. Zu Beginn hört man nur die singende Stimme von WRS, während einer der Tänzer und eine Tänzerin mit lasziven Bewegungen im Bild erscheinen. Dann erst streift die Kamera über die gesamte Bühne, auf der WRS und seine vier Tänzern*innen harmonisch nebeneinander das Tanzbein schwingen.
Das Bühnenlicht flackert Orange und wechselt schnell in ein feuriges Rot. WRS trägt ein knallrotes Hemd und eine schwarze Latexhose mit silbernen Applikationen. Seine beiden Tänzer zeigen ihren makellosen Oberkörper und die beiden Tänzerinnen tragen hautenge rote Bodysuits mit großen Löchern, die viel Haut zeigen. WRS’s Gesang klingt vermutlich aufgrund der körperlichen Anstrengung etwas nasal, aber der Gesamteindruck dieser flotten Aufführung ist stimmig. Da WRS und seine Tänzer*innen fast während der ganzen Zeit Tuchfühlung halten, fällt fast gar nicht auf, wie einer der Tänzer ihm das rote Hemd vom Leib reist und dieser unvermittelt in einem schwarz/silbernen Oberteil weiter tanzt, während die beiden Frauen sich frivol an seinen Oberschenkeln festhalten.
Eine Deckenkamera fängt häufig den Bühnenboden ein, auf dem die Fünf sich unaufhaltsam sehr temperamentvoll weiter bewegen. Dabei ist zu sehen, dass abwechselnd die Worte “Hola mi bebebe” und “Llámame” auf der Tanzfläche aufleuchten, bevor die leidenschaftliche Darbietung fast ein wenig abrupt endet.
Bei der anschließenden Pressekonferenz erschien WRS zwar ohne seine vier tanzenden Begleiter*innen, doch er ließ keinen Zweifel daran, dass er und seine Mitstreiter einen riesigen Spaß miteinander auf der Bühne hatten. Da er mit einem ärmellosen Trägerhemdchen erschienen war, konnte man seine freien Oberarme sehen, auf der ein Halbmond und die Sonne, sowie eine Schlange, eine Lyra und weitere Dinge tätowiert sind.
Als er darauf angesprochen wurde, dass der Australier Sheldon Relay bei seiner Pressekonferenz vorhin sein Lied “Llámame” zum Besten gab und mitgeteilt hatte, dass dies sein persönlicher ESC-Favorit dieses Jahres sei, zeigte er sich einfach überglücklich über dieses fantastische Kompliment für seinen Song. Dass er ihn teilweise in spanischer Sprache geschrieben hat und singt, hätte vor allem damit zu tun, dass Spanisch seine erste Fremdsprache war. “Es ist so eine wunderbare Sprache, die ich sehr liebe. Und darum musste ich sie einfach in meinem Eurovisionsbeitrag verwenden.” Am liebsten würde er mit Chanel, die für Spanien am ESC teilnimmt, mal ein Duett singen und veröffentlichen. Mit einer innigen Umarmung von WRS mit Mario Acampa, der diese Pressekonferenz leitete, endete diese so harmonisch und gefühlsbetont, wie sie begann.
Fotos: EBU / Screenshot
Zweite Probe und Pressekonferenz Belgien: Viel Coolness, aber mit fehlendem Wow-Effekt
6. Mai 2022 Marc Gehring
Nach zwei ruhigeren Nummern aus Polen und Montenegro sollte Jeremie Makiese aus Belgien doch leichtes Spiel haben mit seinem Popsong “Miss You“, der mit der pfiffigen Prise Hip-Hop und Soul sehr zeitgemäß klingt. Jeremie selbst tanzt als Geologie-Student, Profi-Fussballer und Profi-Sänger auf vielen Hochzeiten gleichzeitig und genau das scheint auch hier das Problem zu sein. Um es gleich vorneweg zu nehmen: das wirkt auf der einen Seite alles professionell und rund, aber auf der anderen Seite fehlt ein mitreißender Wow-Effekt, weswegen das mit dem Finaleinzug kein Selbstläufer werden wird.
Doch fangen wir von vorne an. Bei der zweiten Probe trägt Jeremie eine funkelnde silberne Jacke zu schwarzem Shirt und grauer Hose. Das steht ihm ganz gut und lässt ihn jung und cool wirken. Im Spotlight leuchten seine blondierten Haare strahlend hell.
Die von Hans Pannecoucke entworfene Bühnenshow startet ganz intim und voll auf Jeremie fokussiert. Alles ist in dunklen Blautönen gehalten und der Wasserfall um die Bühne herum wird effektvoll bläulich angestrahlt. Das passt auch prima zum Songtext “One day I’m cool, one day I’m cold”. Nach dem ersten Refrain kommen dann zahlreiche Lichtstrahler zum Einsatz und fluten den Raum.
Zum zweiten Refrain erscheinen dann vier in schwarz gekleidete Tänzer auf der Bühne und wirbeln in einem überschaubaren Radius um Jeremie herum. Die Choreografie und Abstimmung zwischen Jeremie und seinen Tänzern funktioniert einwandfrei. Auch farblich tut sich nun etwas. Nach dem kühlen Blau kommen nun wärmere Farben zum Einsatz in Orange und Gold.
Die nicht korrekt funktionierende Sonne bleibt eher dunkel und sieht phasenweise aus wie eine halbe Schallplatte. Manchmal bilden sich links und rechts Gesichter. Zum Ende des Auftritts läuft Jeremie ein paar Schritte nach vorne und der Song endet so wie er begann – zurückgenommen und intim. In allen drei Durchläufen wirkte Jeremie stimmlich sicher, wobei es im dritten Durchgang technische Probleme mit dem In-Ear gab.
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Die Pressekonferenz von Belgien wurde heute von Carolina Di Domenico moderiert. Der sympathische Jeremie trägt heute ein cooles Snoopy-Shirt und gibt interessanterweise zu, dass er das Angebot der ESC-Teilnahme nicht sofort angenommen hat. Er hat sich erstmal Rat von Loic Nottet eingeholt und über den ESC informiert. Loic gab ihm den Ratschlag hart an sich zu arbeiten und einen Song zu wählen, den er wirklich liebt und hinter dem er voll steht.
Dabei ist sich Jeremie aktuell nicht mal sicher, ob er nun künftig den Fokus auf seine Fußballkarriere oder seine Musikkarriere legen soll. Er kann sich einfach nicht entscheiden. Eines weiß Jeremie aber ganz gewiss, obwohl er Geologie-Student ist, wird er sich in Turin nicht geologisch betätigten. Sein italienischen Sprachkenntnisse wären dafür zu schlecht, sagt Jeremie mit einem Augenzwinkern.
Jeremie erzählte außerdem von seinen Idolen Quincy Jones und Michael Jackson. “Thriller” machte dem kleinen Jeremie zunächst Angst, aber spätestens seit dem Video zu “They don’t really care about us” mit den coolen Tanzeinlagen avancierte Michael Jackson zu seinem großen Vorbild.
Danach dreht sich dann alles um den Song “Miss you” in dem Jeremie eine Trennung verarbeitet. Da der Song eine echte Geschichte thematisiert, muss Jeremie auf der Bühne fast weinen, so emotional nimmt ihn der Song mit. Auf Wunsch vieler Fans überlegt er, ob er eine französische Version seines Wettbewerbsbeitrags veröffentlichen soll und singt diese Version dann auch kurz an. Bei früheren ESC-Pressekonferenzen hätte dies Jubelstürme ausgelöst, aber in Turin sind so wenige On-Site-Akkreditierte im Pressezentrum zugelassen, dass dies eher wie ein Trauerspiel wirkt mit leisem, höflichen Applaus.
Foto 1 und 2: EBU Nathan Reins, Foto 3: Screenshot Eurovision.TV
Zweite Probe und Pressekonferenz Montenegro: Eine Strophe auf Italienisch
6. Mai 2022 Frank Albers
Vladana aus Montenegro hat beschlossen, eine Strophe ihres Liedes auf Italienisch zu singen, nachdem viele Fans ihr geschrieben hätten, wie schön die italienische Fassung sei. Kurzfristig hatte die Delegation Montenegros hier in Turin sogar überlegt, das Lied komplett auf Italienisch zu singen. Allerdings ist die italienische Version langsamer als die englische Version und es ließ sich technisch so kurzfristig mit all den erforderlichen Backing-Tracks nicht mehr umstellen. Deshalb entschied man sich dafür, nur die letzte Strophe von Englisch auf Italienisch umzustellen, was technisch einfacher zu realisieren war.
Für ihren Bühnenauftritt hat sie sich eine gewaltige Sonnen- oder Mondscheibe an ihrem Kleid befestigen lassen, das sie wie eine Priesterin erscheinen lässt. Diese Scheibe gehört zu ihrem von einer französischen Designerin entworfenen, atemberaubenden Kleid, in das an der Vorderseite ebenfalls Leuchten angebracht sind, die in der Form von Lungenflügeln strahlen, um das Atmen eines an Covid erkrankten Menschen darzustellen. Gesteuert werden die kleinen Lampen durch den Gesang Vladanas.
Ansonsten ist die Bühne primär in stilles Blau gehüllt, bis auf einige Bilder von Menschen, die an die Opfer der Pandemie erinnern sollen. Auf darüber hinausgehendes graphisches Spektakel verzichten die Montenegriner aber weitestgehend, wodurch der Aufritt etwas sehr Ruhiges bekommt, aber auch Feierliches. Vladanas große Stimme kann sich in dieser Atmosphäre voll entfalten und alle Konzentration geht auf sie und ihr Lied.
Der Inhalt ihres Lied ist für Vladana von sehr großer Bedeutung, was sie genau damit verbindet könnt Ihr in unserem Artikel zur ersten Pressekonferenz nachlesen. Darüber hinaus gehend betonte sie noch einmal, dass sie mit ihrem Lied auch all diejenigen anklagt, die sich allen Schutzmaßnahmen verweigern, nie eine Maske tragen und andere Menschen, wie ihre Mutter, damit in den Tod getrieben hätten. Insbesondere in Montenegro wäre die Ingnoranz der Pandemie gegenüber besonders groß gewesen. Sehr viele Menschen hätten sich an keinerlei Regeln gehalten und sich damit schuldig gemacht.
In der Pressekonferenz überraschte sie mit einem recht unbequem aussehenden Space-Outfit, das ebenfalls von einem französischen Designer-Team stammt. Da Mode neben Musik eine große Bedeutung für Vladana hat, würde sie beides gerne enger miteinander verbinden. Sie könnte sich vorstellen, all ihre Eurovsions-Outfits in einem Konzert zu präsentieren.
Neben Covid ist Presse- und Meinungsfreiheit ein wichtiges Thema für sie. Diese sollten immer geschützt sein, aber in vielen Teilen Europas wäre das heute nicht mehr der Fall und das würde sie als studierte Journalistin sehr besorgt machen. Andererseits wünscht sie sich dringend Regeln hinsichtlich Hate-Speech in den Sozialen Medien, hier wäre dringend mehr Kontrolle erforderlich.
(Foto 1: EBU, Foto 2,3: EBU/Screenshot)
Zweite Probe und Pressekonferenz Polen: Bühnendesign, wie für Ochman gemacht
6. Mai 2022 Simon Wennige
Polen hat sich das richtige Lied für die von den Italienern erbaute Bühne ausgesucht. Der breite Wasserfall am Ende der Bühne in Richtung Green Room (welchen er symbolisch ja auch bewässern soll) ist das Ende des Flusses, den Ochman besingt. Dieser Fluss wird beim zweiten Refrain von einem starken Unwetter mit Sturm und Gewitter ordentlich in Unruhe gebracht. Doch zuvor singt Ochman in einem schwarzen Anruf bei ruhigem Gewässer. Stilistisch ist kurzzeitig im Hintergrund sein Kopf unter Wasser singend dargestellt. Gute Kamerawechsel stimmen das Bild ab. Während des ersten Refrains können die vier Tänzerinnen bereits erahnt werden. Danach tanzen sie in ihren fransigen Outfits um den Sänger herum. Das Outfit symbolisieren an einer Scheibe herunterlaufende Wassertropfchen. Diese erscheinen nach dem Sturm auch auf dem Bildschirm. Wirklich komplett abgerundet worden wäre es, wenn Ochman ebenfalls eine Wasserdusche erhalten hätte. Dies hätte dem statischen Sänger vielleicht noch etwas geholfen. Am Ende liegen die vier Tänzerinnen um ihn herum und die Kamera fährt gen Himmel. Wie sie da so liegen, erinnert es ein wenig an Ochmans Logo mit dem in sich verschlungenen O und C. Ob das erstens der Fall ist und zweitens irgendjemand sonst realisiert, bleibt fraglich.
Ein entspannter und ruhiger Ochman kam dann mit seinem Team zur Pressekonferenz. Mit der Probe sei er sehr zufrieden, auch wenn es noch Kleinigkeiten gäbe, die er verbessern möchte. Aber er sei definitiv auf einem guten Weg. Gäbe es die – natürlich absurde Idee – eines Liedtausches innerhalb des diesjährigen Jahrganges, würde der in Massachusetts geborene Künstler ganz klar “Not The Same” von Sheldon Riley nehmen. Ihn würde die gesamte Performance beeindrucken. Selbst würde er auch kein Lied singen wollen, welches er nicht wirklich fühlen könne. Und genau dies versuche er auch auf der Bühne rüberzubringen. Insgesamt, das wiederholte er mehrfach, sei es aber auch sein Job, dort auf der Bühne zu stehen und zu singen. Ob er gegebenenfalls aber auch am American Song Contest, dessen Finale der ersten Version am kommenden Montag ist, im nächsten Jahr teilnehmen würde, wüsste er nicht. Erstens wisse man noch nicht, in welche Richtung sich dieser Contest entwickeln würde und zweitens sei er sich nicht sicher, ob es das Richtige sei, jeden solcher Wettbewerbe mitzunehmen.
Aber der 23-jährige Sänger braucht Herausforderungen. Und die Entstehung von “River” sei im Grunde auch eine gewesen. Denn das Lied wurde erst einen Tag vor der Deadline des polnischen Fernsehens für die Vorentscheidung geschrieben. In dem Lied gehe es darum, den inneren Frieden zu erreichen. Die Bühnenperformance würde anhand des Musikvideos entwickelt.
Wenn es um die Musik gehe, dann sei der Operngesang wohl die gesündeste Art zu singen. Weiter begründet hat Ochman diese Aussage nicht. Er selbst hat klassischen Gesang in Polen studiert und schon sein Großvater ist Opernsänger gewesen. Es lässt sich bei seinem Lied auch heraushören.
Fotos Probe: EBU / Nathan Reinds
Fotos Pressekonferenz: EBU (Screenshots)
Zweite Probe und Pressekonferenz Estland: Ritt in den Sonnenuntergang
6. Mai 2022 Frank Albers
Für die estnische Inszenierung wurde ein Filter über die Kameras gelegt, so dass alles wie eine vergilbte Filmkopie wirkt, mit der man wohl alte Western-Stimmung erzeugen möchte. Nach einer Weile verschwinden die Filter und wir finden uns in der kargen Landschaft wieder, die wir schon aus Stefans Video kennen. Als einsamer Cowboy steht Stefan mit seiner Gitarre und in heller Cowboy-Cluft mitten in dieser unwirklichen Landschaft, die sich im Verlauf der drei Minuten zunächst in violettes und weißes Licht, später in einen roten Sonnenuntergang auflöst, im Hintergrund die dunkle Sonne. Stefan nutzt die volle Größe der riesigen Bühne und überquert sie mit schnellen Schritten gefühlt gleich mehrmals. Er ist stimmlich brilliant und auch der Auftritt steht und überzeugt.
In der anschließenden Pressekonferenz bestätigte er, dass er allein auf der Bühne bleiben wird und es nicht geplant sei, kurzfristig noch Tänzer als ihn begleitende Cowboys einzufliegen. Er wäre mit der Inszenierung rundum zufrieden so wie sie jetzt ist. Mehrere Fragen griffen das Thema Western auf und Stefan erzählte von seiner Liebe zu Westernfilmen und seinem großen Vorbild Johnny Cash, wobei er sich nicht anmaßen wolle, ihm auch nur ansatzweise nahe zu kommen. Die ungewöhnliche Situation, dass ein nordeuropäisches Land wie Estland durch einen Countrysong (der eigentlich eher ein Westernsong im Stil von Ennio Morricone ist) vertreten würde, hätte zu Hause nur positive Zustimmung gefunden. Vor allem seine Eltern hätten ihn sehr bestärkt und unterstützt, das richtige Lied ausgewählt zu haben.
Wenn er in Turin gerade nicht proben oder Interviews geben würde, würde er versuchen die Stadt zu genießen, auch wenn es seit seiner Ankunft nur geregnet habe. Mehr zu Stefan und seinem Lied könnt ihr in unserem Bericht zum Meet & Greet nachlesen.
Foto 1: EBU, Foto 2,3: EBU/Screenshot
Zweite Probe und Pressekonferenz Nordmazedonien: Energiebündel und Lichtgewitter
6. Mai 2022 Simon Wennige
Andrea setzt bei ihrer Inszenierung von “Circles” nach eigener Aussage voll auf Licht, Dynamik und Drama. Dies kann bestätigt werden. Sie ist alleine auf der Bühne zu sehen, singt fehlerfrei ihre Ballade, während es immer wieder Kamerawechsel- und fahrten gibt. Zwischendurch gibt es Lichtgewitter auf der Bühne, die passend zu dem düsteren Lied eingespielt werden. Genauso passend dazu das Make-Up der Sängerin. Insgesamt ist es ein minimalistischer Auftritt, genauso, wie ihn Andrea haben wollte. Aber sie fühlt sich trotz der großen Bühne nicht alleine auf ihr. Sie spürt ihre Backgroundsängerinnen hinter der Bühne. Und es ist vollkommen in Ordnung, nervös zu sein.
In der nachfolgenden Pressekonferenz lobte sie – anders als tags zuvor die Österreicherin – ihren Make-Up-Artist explizit. Generell zeigte sich eine coole und selbstsichere Sängerin, die nach eigener Aussage “bereit geboren” wurde. Sie spricht fließendes Englisch mit amerikanischem Akzent. Und das schneller als der Brunnen am Bühnenrand im PalaOlimpico das Wasser transportieren kann. Wenn man dieser jungen Frau zuhört, kommt eigentlich nicht die Frage auf, ob Amerika sie und ihre Musik geprägt haben könnte, sondern, ob da auch noch der Einfluss von Nordmazedonien vorhanden ist. Dass sie die “Billy Eilish des Balkans” sein soll, könne sie nicht verstehen. Sie würde in ihrer Musik eine größere Bandbreite ihrer Stimme ausnutzen. Ansonsten könne sie sich mitnichten mit einem derartigen Weltstar vergleichen. Generell kann sie sich aktuell gar nicht vorstellen, wie ein “normales” Leben nach dem ESC aussehen soll. Sie sei von allem hier so geflasht und der Eurovision testet quasi täglich ihre Limits. Sie habe sehr tolle Menschen und Erfahrungen hier sammeln dürfen. Ihr bislang bestes Erlebnis – abgesehen von Turin – war die PreParty in Madrid. “Eurovision is a great place to be – for sure!”
Der Song hätte problemlos auch auf Nordmazedonisch sein können. Wie immmer, wenn Andrea Musik schreibe, komme zuerst die Melodie und dann würde der Text dazu entstehen. In welcher Sprache dies geschehe, ist dann dem Momentum zu verdanken. Bevor die Sängerin aus Skopje auf die Bühne geht, nimmt sie sich eine Minute Zeit. In dieser denkt sie darüber nach, worüber sie im Leben dankbar ist und stimmt sich positiv auf ihren Auftritt ein.
Besonders froh ist sie, dass sie so zentral in Turin wohne. Sie finde die Stadt unglaublich schön und könne vieles sehr schnell von ihrer Unterkunft aus zu Fuß erreichen. Auch die guten Restaurants in ihrer Umgebung bekamen ein Lob ab. Für ihr Hobby Kickboxen habe sie bislang leider hier keine Zeit gehabt. Das könne ein guter Grund für die viele Energie sein, die sie verspührt.
Sie freue sich auch über jeden ihrer Mitstreiter beim ESC, allen voran We Are Domi aus Tschechien und Sheldon Riley aus Australien. Doch wenn sie über den ESC-Tellerrand hinausblicken würde und Musikkooperation eingehen könnte, dann würde sie Whitney Houston und Lauryn Hill wählen. Es ist nicht schwer zu glauben, wenn jemand behaupten würde, Andrea wäre US-Bürgerin. Dennoch betonte sie, wie fantastisch es sei, den kulturellen Mix vor allem in Europa zu haben.
Fotos Probe: EBU / Nathan Reinds
Fotos Pressekonferenz: EBU (Screenshot)
Zweite Probe und Pressekonferenz Irland: Vom Singen und Turnen
6. Mai 2022 Reinhard Ehret
Text: Reinhard Ehret/Frank Albers
Man singt dieses Jahr gern mal im Liegen. So beginnt auch die Irin auf dem Rücken. Ihr “That’s Rich” klingt wie ein Kylie-Minogue-Schlager aus den frühen 90ern. Brooke war heute stimmlich relativ gut disponiert, wobei der Wechsel in die Kopfstimme nicht immer gelang. Dennoch hatten sie und ihre vier gelenkigen Kumpaninnen offenbar besten Spaß. Bis auf die Anfangseinstellung aus der Vogelperspektive, wobei alle Fünfe lasziv in einem großen roten Herzen liegen, ist das Stück recht klassisch inszeniert. Steadycam, Totale, Close-Ups und sehr viel Geturne – die Tänzerinen schlenkern dabei energisch mit ihren Pferdeschwanz-Zöpfen –und sonst viel pinkes und blaues Licht, das ordentlich flackert. Besonders originell ist das Ganze nicht, weshalb es für Brooke nicht ganz einfach werden wird, sich bei den Leuten ins Gedächtnis zu singen und zu turnen. In der Halle mag der Wumms des Rhythmus-Basses durchaus funktionieren, aber ob sich das über die Bildschirme transportiert, ist fraglich. Immerhin wird die weiß-bläuliche Tanzformation für ein bisschen Schwung sorgen; zumindest im Halbfinale.
Für die Pressekonferenz hatte sie ihre Tänzer und Tänzerinnen dann Backstage gelassen und stellte sich allein der Handvoll Journalisten und Fans im Pressezentrum sowie den Online-Reportern. Wie immer wenn es um Irland geht, ging es auch um die große Eurovision-Tradition. Irlands erste Siegerin Dana hat sich natürlich bereits bei Brooke gemeldet, um ihr Glück zu wünschen, vor allem auch da sie beide aus Derry stammen. Mit “Mr. Eurovision” Johnny Logan versucht Brooke noch Kontakt aufzubauen, hätte sich aber bisher noch nicht getraut, die “Gods of Eurovision” anzurufen.
Nach dem Sieg bei der irischen Vorentscheidung hat sie vor Glück einen Burger und einen großen Jameson-Whiskey genossen, sollte sie das Finale erreichen, würde sie diese Portion auf jeden Fall verdoppeln und auf einen Jameson-Werbevertrag hoffen.
Außer auf ihr Lieblingsgetränk Whiskey freut sie sich auf eine Möglichkeit, mit Ronela aus Albanien zusammenzuarbeiten. Seit den Pre-Partys wären sie und Ronela zusammen mit Emma aus Malta, Chanel aus Spanien und WRS aus Rumänien die engste Partyclique, zu der auch noch Australiens Sheldon gehört. Sie wären beste Freunde geworden und Brooke möchte sie niemals verlieren. Die Unterstützung innerhalb dieser Clique aber auch zwischen allen anderen Teilnehmern wäre enorm und sie hätte dies niemals erwartet.
Genauso wenig erwartet hätte sie, dass sie seit Wochen die Schlagzeilen in den irischen Medien dominieren würde. Darüber hinaus kann sie die Veröffentlichung ihres neues Liedes nicht abwarten, von dem sie glaubt, dass es noch besser wäre als “It’s Ritch”.
(Foto 1: EBU, Foto 2,3: EBU/Screenshot)
Zweite Probe und Pressekonferenz Zypern: Die Perle einer Muschel
6. Mai 2022 Simon Wennige
Ein Probentag mit einigen Problemen. Zumindest im Onlinepressezentrum hatten viele damit zu kämpfen, dass sie die Proben gar nicht oder zumindest nicht durchgängig verfolgen konnten. Und auch Andromaches Probe verlief nicht reibungslos. Beim dritten Versuch gab es Tonprobleme und die Sängerin konnte sich selbst nicht hören. Sie brach ab und die Techniker probierte das Problem zu beheben. Mit mehreren “yeah yeah yeah” hörte man sie testen. Doch als es wieder freigegeben wurde, geschah es erneut. Selbst am Rechner konnte vernommen werden, dass der Ton nicht so war, wie er hätte sein sollen. Trotzdem waren die Zyprioten zufrieden mit der Probe, da sie nach eigenen Angaben alle offenen Fragen klären konnten.
Das Bühnenbild Zyperns stellt eine (Venus)Muschel dar. Dies hat Andromache in der anschließenden Pressekonferenz bestätigt. Allerdings dürfe jeder gerne seine eigene Interpretation hineinbringen. Dies könne beispielsweise auch eine Welle im Ozean sein. Andromache und ihre beiden Tänzerinnen bewegen sich in diesem doch recht kleinen Raum. Ein wenig zu viele Aufnahmen von der Ferne mit langsamen Kameraschwenks lassen das Lied ein wenig unspektakulär rüberkommen. Außer ein paar Tanzschritten und Schattenspiele an der Muschelinnenseite passiert nicht viel. Die begrenzte Raum der Muschel könnte hierbei ein Problem darstellen. Es wirkt alles sehr beengt. Für manche Journalisten sah es gar ein wenig gefährlich aus. Doch Andromache meinte, sie fühle sich auf der Bühne wohl.
Andromache teilte uns in der Pressekonferenz ebenfalls mit, dass sie schon seit lange Zeit ein “Euro-Fan” sei, dennoch nie davon geträumt habe, einmal selbst auf der großen Bühne stehen zu können. Aber jetzt sei sie da und freue sich sehr darüber. Vor allem auch, da sie ein unglaublich tolles Team um sich habe. Dies ließ sie an mehreren Stelle der PK verlauten. Das sie deutsche Vorfahren habe und auch 2020-Kandidat Sandro Halbdeutscher gewesen ist, sei nur ein Zufall. Aber, so hofft Zyperns Delegationsleiterin Evi Papamischael, hoffentlich bringe ihnen Deutschland Glück.
Zyperns Beiträge in den letzten Jahren hatten gute Erfolge aufzuweisen, doch Andromache verspühre dahingehend überhaupt keinen Druck. Sie freut sich hier zu sein und auch auf der Bühne fühlt sie sich wie – Andromache eben, also wie sie selbst.
Der Sprachenmix scheint wohl ein klein wenig Kalkül zu sein. Alle bisherigen Lieder von der im siegerländischen Burbach großgewordenen Griechin sind in griechischer Sprache gewesen. Doch zum leichteren Verständnis wurde auch auf Englisch zurückgegriffen. Sonst hätte sie halt alles mit ihrer Mimik und den Augen regeln müssen, was ihrer Meinung nach auch in Ordnung gewesen wäre.
Nach dem ESC benötigt die 27-jährige Sängerin aber erst einmal Urlaub. Dann geht es weiter mit Reisen durch Europa und neuer Musik. Auch ein Album steht auf dem Plan.
Fotos Probe: EBU / Nathan Reinds
Fotos Pressekonferenz: EBU (Screenshot)
Zweite Probe und Pressekonferenz Australien: Australischer “Paradiesvogel”
6. Mai 2022 Karl Jakob
Den Auftakt des heutigen Probetages machte der charismatische und talentierte australisch Sänger Sheldon Riley. Sicherlich ein “Paradiesvogel” unter den Interpretinnen und Interpreten des diesjährigen Wettbewerbs. Mit seiner autobiografischen und dramatischen Ballade beschreibt er die Gefühle und Zerrissenheit seiner Kindheit, als er bemerkte und fühlte, dass er sich von den anderen Jungs unterscheidet, von diesen schon beim Spiel wegen seiner Andersartigkeit ausgeschlossen wurde und er die von seinem christlichen Elternhaus erwartete männliche Rolle einfach nicht erfüllen konnte.
Das Bühnenbild und die Choreographie von “Not The Same” ist von Sheldon und seiner Designerin bis ins kleinste Detail durchdacht und geplant. Er steht in seinem avantgardistischen, mit viel Strass besetzten weißen Kleid auf einem Podest, von welchem zwei Treppen nach oben führen. Sein Gesicht ist hinter einem Schleier aus strassbesetzten Bändern fast ganz versteckt. Nach der ersten Strophe steigt Sheldon singend auf der rechten Treppe nach oben. Erst jetzt wird die Dimension seines Kleides mit der riesigen Fellschleppe ersichtlich. Am Gipfel der Treppe angekommen befreit sich der Sänger zum Höhepunkt seines Songs von seiner Maske und hebt diese triumphierend hoch. Eine sicherlich sehr dramatische und Gänsehaut erzeugende Inszenierung.
Beim zweiten Durchlauf der Probe gab es anscheinend Probleme mit den In-Ears, denn Sheldon kam beim Aufstieg auf der Treppe völlig aus dem Takt und hatte Schwierigkeiten seinen Song zu beenden.
Bei der späteren Pressekonferenz verkündigte er jedoch auf die Frage der Moderation Carolina di Domenico, dass er mit der Probe sehr zufrieden war und bis zum Semifinale nur noch ein paar Kleinigkeiten geändert werden müssen. Schmunzelnd erklärte er: “Es kostet mich jedesmal viel Kraft bei den Proben die Treppen mit meinem 40 kg schweren Kleid singend hochzusteigen”.
Zur Verstärkung hatte er die Stage Designerin und den Head of Delegation bei der Pressekonferenz an seiner Seite, der erklärte, dass ist die Inszenierung bis ins kleinste Detail geplant, geprobt und der Inhalt von Sheldon’s Lied perfekt in Szene gesetzt wurde.
Als Kind und Teenager wurde Sheldon oft gemobbt und gehänselt. Er fand sich häßlich und versteckte sich gerne hinter Masken. Er hat sein Aussehen mittlerweile akzeptiert, doch der Tick mit den Masken ist geblieben, nur dass sie heute entsprechend seinem extravaganten Modegeschmack sehr ausgefallen sind.
Obwohl er bei Voice of Australia und American Idol erfolgreich gewesen ist und er dort sein großes Vorbild und Mentor Adam Lambert kennenlernte, mag er diese Art von Reality TV nicht wirklich. Doch für ihn war dies zum damaligen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit, als Sänger in Australien bekannt zu werden. Mit dem Auftritt beim ESC erfüllt sich für ihn nun ein Kindheitstraum, da er den ESC über alles liebt und letztendlich war es der Auftritt und der Sieg Conchita’s, der ihn dazu bewegt hatte, sein Leben entsprechend seinen Gefühlen zu leben. Von den diesjährigen Beiträgen liebt er ganz besonders den schwedischen und prompt singt er a capella eine Strophe von Cornelia Jakobs Lied “Hold Me Closer”.
Ich liebe meine Heimat Australien, aber ich sehe meine weitere musikalische Laufbahn zumindest in den nächsten fünf Jahren in Europa, denn hier habe ich ein verständnisvolles Publikum gefunden, dem ich nicht ständig meine Persönlichkeit erklären muss.