Noch 17 Tage bis zum Eurovision Song Contest 2024

Zweite Probe und Pressekonferenz Portugal: Kein Saudade lässt sich von Covid19 aufhalten

4. Mai 2022 Simon Wennige

Es war ein kleiner Schock für Portugal heute früh: Ein Teammitglied der Delegation wurde positiv auf Covid19 getestet. Es musste sofort in die Isolation gehen und die Probe Portugals wurde erstmal verschoben und schlussendlich ans Ende des heutigen Tages gesetzt. Doch Maro und ihre fünf Backgroundsängerinnen lieferten ihre zweite Probe dann unbeeindruckt ab. Der Auftritt startet dunkel, die Kamera schwenkt an zwei Frauen vorbei, die nur schemenhaft zu erkennen sind, bevor sie bei Maro stehenbleibt und diese mit dem Gesang startet. Während der gesamten drei Minuten wurde nur Maro angeleuchtet, die übrigen fünf Sängerinnen stehen im Kreis zu ihr gerichtet. Während des ersten Durchlaufs hatte eine davon noch eine FFP2-Maske auf. Diese fehlte dann bei den weiteren beiden Versuchen. Es passiert nicht viel auf der Bühne, dennoch schaffen die Portugiesen einen kurzweiligen Auftritt – auch dank guter Kameraschwenks.

Aufgrund der nun für alle Mitglieder der portugiesischen Delegation geltenden Sicherheitsmaßnahmen, trugen Maro und Carla Bugalho Trindade (Head of Delegation) während der anschließenden Pressekonferenz auch durchgängig ihre Masken. Der Regen hatte in Turin noch nicht geendet, leichte Tonschwierigkeiten blieben daher. Doch nach diesem Tag dürfte das nur ein geringes Problem für die Portugiesen gewesen sein. Maro erzählte in ihrem perfekten Englisch, dass sie sehr zufrieden mit den Proben gewesen sei und den Ausfall des Teammitglieds gut kompensiert werden konnte, da es sich nicht um eine der Sängerinnen gehandelt habe.

Bereits in früheren Jahren wurde Maro zum Festival da Canção eingeladen. Doch erst in diesem Jahr passte es zeitlich wie auch musikalisch sehr gut zusammen. Zusätzlich freue sie sich, dass sie sich und ihre Musik nun verstärkt ihren Landsleuten vorstellen könne. Der Sprachenmix in ihrem Lied “Saudade, Saudade” sei ganz automatisch zustandegekommen. Ein Freund aus Amerika, welcher gerade auch Portugiesisch lerne, habe ihr dabei geholfen und daher wollte sie den Ursprung des Liedes aus Respekt zu selbigem beibehalten.

Damit endete der Probentag und die Portgugiesen kamen mit einem Schrecken davon. Dem Teammitglied gehe es gesundheitlich sehr gut.

Fotos: EBU / Andreas Putting / Screenshot

Zweite Probe und Pressekonferenz Griechenland: Kaputte Stühle und Turiner Sintflut

4. Mai 2022 Simon Wennige

Die zweite Probe von Griechenland verlief heute sehr erfolgreich, Amanda Tenfjords Quoten haben sich verbessert. Die Griechen greifen nach den Top 5. Die junge Sängerin ist durchgängig alleine auf der Bühne – sowie den vielen “dahinschmelzenden” Stühlen. Doch zusammen mit der Lichttechnik konnte Amanda die Bühne für sich vereinnahmen. In ihrem weiß-durchsichtigen Kleid – ein Outfit, mit welchem Amanda ansonsten nicht sonderlich oft zu sehen ist – saß sie zunächst auf dem wohl einzig “heilen” Stuhl. Während der Song “Die Together” in der zweiten Hälfte an Fahrt aufnimmt, hält es auch die Halb-Norwegerin nicht mehr auf dem Stuhl. Ihre Stimme ist sicher und energiegeladen. Mit diesem Auftritt ist es verständlich, dass Griechenland von Anfang an als kleiner Mitfavorit gegolten hat.

Bei der anschließenden Pressekonferenz gab es dann leichte Verständigungsprobleme zwischen den Journalisten und Amanda. Dies lag allerdings nicht an den jeweiligen Personen, sondern am einsetzenden Sturm inklusive eines ordentlichen Platzregens. Dieser war so laut im Pressezentrum, dass Amanda manche Fragen anhand von Bruchstücken rekonstruieren musste. Vielleicht hatten die Italiener nicht mit Regen im Mai gerechnet.

Mit der Inszenierung von Fokas Evangelinos sei Amanda außerordentlich zufrieden gewesen. Sie passe perfekt zu dem Song. Beeindruckendes konnte die 25-Jährige noch von ihrer griechischen Großmutter erzählen. Diese sei 101 Jahre alt und habe ihr immer geraten, sie selbst zu sein. Sie wäre wohl auch die erste Person, die sie nach einem Sieg anrufen würde, sollte es soweit kommen.

Die Pressekonferenz war gefüllt mit etlichen Fragen über die norwegisch-griechische Herkunft von Amanda. Auf die Frage, was sie an dem jeweils anderen Land am liebsten mag, überlegte sie ein wenig widerwillig und sagte dann, dass es in Griechenland die Menschen und in Norwegen die Ruhe sei. Da sie nicht besonders abergläubisch sei, habe sie auch keinen Glücksbringer bei sich. Aber die griechische Flagge ist aktuell immer in ihrem Gepäck dabei.

Fotos: EBU / Nathan Reinds

Zweite Probe und Pressekonferenz Österreich: Zwei in der Champions League

4. Mai 2022 Stefan Ball

Die beiden stehen inmitten eines Lichtrings, der mal weiß, mal rot aufleuchtet, passend zu Pias roten Zöpfen. Ansonsten ist auch hier die Bühne ziemlich dunkel gehalten, kommt aber einer anheimelnden Discoatmosphäre sehr nahe. Pia wirkt im Vergleich zu LUM!X etwas statisch. Der hat sichtlich mehr Spaß und hüpft auch quietschfidel umher wie ein Gummiball; dafür geht Pia die Puste nicht aus. In einer fast vollen Halle kommt das “Halo” bestimmt ganz gut an.

Daran wird sich auch nichts mehr großartig ändern. Die Inszenierung steht zu 90 Prozent. Die Kreativen haben sich auch vorherige Dance-Auftritte beim Song Contest angeschaut und die Eindrücke berücksichtigt.

Beide freuen sich hier zu sein und es macht ihnen auch nichts aus, gegen bereits erfahrenere Konkurrenz anzutreten. Vor allem Pia möchte diese Chance nicht missen. Diese verdankt sie ihrer Stimme. LUM!X hatte den Song und Pia die ideale Stimme dazu. Es machte ihm auch Spaß, von seinem bisherigen Musikstil etwas abzuweichen und etwas poppiger und radiotauglicher zu interpretieren. Ansonsten arbeitet er immer noch mit seinem Mentor Gabry Ponte, dem Produzenten von Eiffel 65, zusammen.

 

Ganz ungewohnt ist Turin für LUM!X auch nicht, er wohnte hier immerhin schon ein Jahr lang, weshalb er Pia auch schon eine kleine Stadtführung geben konnte. Viel Spaß hatten sie auch beim Videodreh. Der fand im Kunsthistorischen Museum Wien statt und musste wegen der Öffnungszeiten weit nach Mitternacht erfolgen.

Die Eurovision ist für sie die Champions League der Musik. Das zu toppen ist nicht vorstellbar. Selbst ein Auftritt beim Superbowl könnte da nicht mithalten. Für Pia ist es aber in Zukunft eine Herausforderung, mit Ihrer Musik zu begeistern. Eine weitere Zusammenarbeit nach dem Song Contest ist noch nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen. Auch Eurovisions-Vorbilder konnten sie nennen. National kamen Sie an Conchita nicht vorbei, allgemein nannte Pia unsere Lena und LUM!X ging weiter in die Geschichte zurück und war ganz begeistert von ABBA und deren Karriere. Ob ihm etwas vergleichbares passieren wird, wird die Zukunft zeigen.

Bilder: Bildschirmfotos EBU

Zweite Probe und Pressekonferenz Dänemark: Volle Kraft voraus!

4. Mai 2022 Wolfgang Grube

Die vier Musikerinnen der dänisch-schwedischen Band Reddi haben sichtlich Spass auf der Bühne. Alle drei Durchläufe der zweiten Probe liefen wie am Schnürchen. Reddi scheinen bereit fürs Halbfinale! Die Inszenierung ihres Pop-/Rocktitels mit Punk-Anklängen ist schnörkellos so wie der Song selbst. Im balladenhaften Intro ist nur ein Spot auf die blonde Sängerin Siggy Saveray und ihr Klavier gerichtet, alles andere bleibt im Dunkel. Ihre rauchige Stimme in Verbindung mit ihrem Klavierspiel bilden eine harmonisierende Einheit.

Doch nach dem Pianovorspiel geht´s ab! Mit dem Wechsel von der Ballade zum Rocksong wird die Bühne abwechselnd in großflächige neonfarbene Blöcke getaucht. Jetzt sind auch alle vier Musikerinnen in ihren Hosenanzügen zu sehen. Ihan am Schlagzeug, Siggey und Ida mit Gitarre und Agnes mit Bassgitarre – es wirkt, als würden sie tatsächlich auch ihre Instrumente live spielen. Das Schlagzeug ist sehr präsent und gibt dem Titel einen guten Drive. Den vier Musikerinnen ist auf der Bühne anzusehen ist, dass sie es lieben, für ihr Publikum auf der Bühne zu stehen.

In der anschließenden Pressekonferenz unterstreichen die vier Musikerinnen, wie sehr sie es genießen, sich gegenseitig gefunden zu haben und eine ausschließlich weibliche Band zu sein. Die Bandgründung war wie ein Domino-Effekt: Ihan hat Siggey angesprochen, dann Siggey Ida und Ida Agnes. Sie mögen es allerdings nicht, als “Girlband” bezeichnet zu werden, schließlich würde “Coldplay” auch nicht als “Boyband” tituliert werden. Auf die Frage, ob sie sich in der männerdominierten Musikbranche die Einführung einer Quote wünschen würden, gab es ein klares Nein: Spielt einfach besser als Männer und zeigt es, dass ihr es draufhabt! Das Rezept, warum sie sich so gut als Band verstehen, lautet: Wir respektieren und achten uns gegenseitig sehr und wir können voneinander  lernen. Jede von uns kann etwas besser als die anderen und das spornt an!

Bilder: 1,2 EBU 3 Screenshot PK EBU

Zweite Probe und Pressekonferenz Kroatien: Tonprobleme im rosa Kleid

4. Mai 2022 Frank Albers

Die heutige Probe Kroatiens verlief technisch einigermaßen holprig und Mia war alles andere als zufrieden und schimpfte laut über die “sound issues”, auch wenn sie später in der Pressekonferenz beschwichtigte, dass alles wunderbar in Ordnung sei. Aber dazu sind Proben ja auch da. Ärger hatte das Team mit der Synchronität, die Backing Tracks liefen knapp zeitverzögert und zum kroatischsprachigen Teil des Liedes wurden die englischen und nicht die kroatischen Chorstücke eingespielt. Das kommt eben davon, wenn man auf einen Live-Chor verzichtet.
Mia selbst war hervorragend bei Stimme und die technischen Patzer lassen sich bis zur nächsten Probe sicher gut lösen.

Aber Mia war insgesamt heute vom Technikpech verfolgt, denn zur Hälfte ihrer Pressekonferenz fiel der Ton aus, so dass nur die kleine Handvoll Journalisten und Fans ihren Ausführungen und ihrer Gesangseinlage folgen konnten, die online dazugeschalteten Journalisten (die große Mehrheit also) hörte nichts mehr. In dem Teil der Pressekonferenz der noch zu verfolgen war, erläuterte sie noch einmal warum sie sich gegen das eher lässige Outfit der kroatischen Vorentscheiung DORA und für eine sehr feierliche rosafarbene Festrobe entschieden habe. Der Auftritt beim ESC wäre etwas ganz besonders und sollte durch entsprechende Garderobe gewürdigt werden, meinte sie. Geschmäcker gehen bekanntlich oft auseinander und so wohl auch bei diesem Kleid, das ihr sämtliche Jugendlichkeit nimmt, sie selbst es aber voller Stolz trägt.

 

(Fotos: Foto1: EBU, Foto 2,3: EBU/Screenshot)

Zweite Probe Portugal verschoben

4. Mai 2022 Wolfgang Grube

Die für heute Nachmittag angesetzte 2. Probe musste aufgrund eines positiven Corona-Tests in der portugiesischen Delegation leider abgesagt werden. Die betroffene Person fühlt sich wohl gut und hat keine Symptome. Ein PCR-Test wurde gemacht. Nach Informationen der EBU soll die Probe möglicherweise heute noch nachgeholt werden.

Foto: Joey Schultz, Eurovision.TV

Zweite Probe und Pressekonferenz Moldau: Immer auf Achse

4. Mai 2022 Stefan Ball

Altbekannte sind wieder zurück. Nach Kiew 2005 und Düsseldorf 2011 rockt Zdob si Zdub diesesmal zusammen mit den Advahov Brothers (Fratii Advahov) wieder die Eurovisionsbühne. Eine trommelnde Oma oder eine spitzhütige Einradfahrerin sind diesesmal nicht dabei. Die Herren sind reifer geworden, sie suchen das aber mit Kappen zu verbergen und verkleiden sich als Rappergang aus Chisinau, bewaffnet mit Instrumenten. Die Beleuchtung ist eher gelbstichig und bunte Elemente tauchen im Hintergrund und auf dem Boden auf. Die besungene Zugfahrt ist optisch nicht verarbeitet, kann aber auch an der ausgefallenen LED-Wand liegen.

Zu Beginn der Pressekonferenz holten die Band auf Hinweis der Moderatorin ersteinmal die Nationalfahne wieder ein, da diese heuer schon digital eingeblendet wird und eine Fahne nicht die andere überdecken muss.

Mit Unterstützung einer Dolmetscherin erläuterte die bunte Truppe, dass die Eurovision für sie kein Konkurrenzwettbewerb ist, sondern ein Veranstaltung der Musik und Freundschaft. Dazu steuern Sie Freude und Rock´n Roll bei.
Der Vergleich mit den Red Hot Chilli Peppers gefiehl Ihnen, diese Band ist immerhin ein Idol von Ihnen.

Ihre hier vorgebrachte Rock´n Roll-Variante in Verbindung mit Folkmusik ist für sie ein Experiment.
Die Advahov-Brüder haben eine großes volkstümliches Orchester und sie haben ein gemeinsames Album erstellt. “Trenuletul” ist vor der Pandemie entstanden, aber erst danach veröffentlicht worden. Da Rumänien und Moldau eng verbunden sind, etwa in Geschichte, Sprache und Kultur, wurde das Lied über die Zugfahrt zwischen den beiden Hauptstädten hüben und drüben schnell sehr beliebt und sie wurden dann aufgefordert, sich damit um eine Eurovisionsteilnahme zu bewerben.

Die Frage, ob das Lied auch eine Vereinigungsbotschaft darstellt, wurde weitschweifig umschifft. Neben den vielen Gemeinsamkeiten brachte Sänger Roman mit der Zugfahrt andere Dinge in Verbindung. Es ist für ihn ein Symbol für das Künstlerleben, bei dem man viel auf Achse ist. Zudem war die Bahnstrecke die erste Verkehrsverbindung nach der Unabhängigkeit nach Rumänien. Er erinnerte außerdem daran, dass auf dieser Welt alle Menschen mit den gleichen Problemen kämpfen und es sehr wichtig ist das zu verstehen, vor allem den Politikern sollte es bewusst werden.

Neuigkeiten gab es auch noch von der Oma, die 2005 in Kiew so fleißig auf die Pauke gehauen hat. Sie ist musikalisch immer noch aktiv und bei vielen Veranstaltungen zu sehen. In ihrem Haus, das nun als Eurovisionsstr. Nr. 6 einnummeriert ist, hat sie mit ihrem Mann eine Art Folkloremuseum aufgebaut, das als Touristenattraktion gilt. Etwas Werbung an dieser Stelle sei der Delegation verziehen.

Bild: Bildschirmfoto EBU

Zweite Probe und Pressekonferenz Niederlande: nur noch Gefühl

4. Mai 2022 Stefan Ball

Nach einem Jahr lateinamerikanischer Buntheit kehren die Niederlande zur authentischen Nüchternheit zurück. Stien alias S10 steht auf einem zur Bühne verdrehten quadratischen Podest und aus der Dunkelheit blitzen nur ihr blondes Haar, das Dekolleté und ihre schlanke Taille hervor. Im Hintergrund strahlt ein halbrunder Lichtschein, einem Sonnenaufgang gleich, durch die Requisitensonne und über deren Rand einzelne Strahlen. Die attraktive Sängerin müsste sich zwar nicht im Dunkeln verstecken, insgesamt ist die minimalistische Inszenierung aber passend zum melancholischen “De diepte”.

Bei der Pressekonferenz zeigte sich Stien anders und trug eine Prinzessinnenkleid-Variante mit rosa Rüschchen. Ihre Bühnenkostüm ist aber bewusst gewählt. Das schwarze Kostüm zeigt eben Bauch, Brust und Kopf, also jene Bereiche, in denen die Gefühle sind.

Die Wahl für die niederländische Sprache, immerin war sie seit über zehn Jahren nicht mehr eurovisionär zu hören, war für sie nicht schwer, da es ihre natürliche Singsprache ist. S10, ihre Rappername, ist eine Ableitung von Stien, da tien auf Niederländisch zehn bedeutet. Die Sprache empfindet sie auch nicht als Nachteil. Wenn der Text auch nicht von allen verstanden wird, dann konzentrieren sich die Zuseher umso mehr auf das transportierte Gefühl. Jeder fühlt sich mal traurig und kann es nachvollziehen. Sie will aber auch sich und Alle feiern glücklich zu sein.

Gefühle zu teilen und mit dem Publikum einen Moment zu schaffen, der alle bewegt und den Alltag vergessen lässt, bedeutet für sie dann Magie bei der Musik. Der Song Contest bietet ihr dafür ja eine große Gelegenheit.
Dazu kam es, weil sie schon am Tag des Finales 2021 bekannt gab, teilnehmen zu wollen. Sie bewarb sich dann und aus ungefähr 400 Einsendungen wurden sie und ihr Lied schließlich ausgewählt.

Beim letztjährigen Finale gab sie bekannt anzutreten, dann schickte sie Lied ein und es wurde unter rund 400 bewerben genommen. Mögen die Gefühle mit ihr sein.

Bild: Bildschirmfoto EBU

Zweite Probe und Pressekonferenz Bulgarien: Rock is still alive!

4. Mai 2022 Frank Albers

Im Hintergrund erhebt sich eine Art Neon-Iglu, wenn das Intellignet Music Project aus Bulgarien die Bühne in Turin betritt. Entsprechend kühl bleibt das Licht anfangs auch, eisig-scharfe Grau- und Blautöne überwiegen, bis das Licht in der Mitte des Lieds in feuriges Rot wechselt und mit den sich steigernden Riffs der Gitarren in ein großes Feuerwerk mündet. Pyro gehört bei Hardrock einfach zwingend dazu. Die Probe lief gut und die Band ist routiniert genug sich durch nichts aus dem Konzept bringen zu lassen, aber es gab auch keinen Grund dazu.

 

Die Band um Leadsänger Ronny Romero fühlt sich rundum wohl in Turin und auf der ESC-Bühne, mit den Proben waren sie zufrieden und sie freuen sich sehr auf das Halbfinale nächste Woche. ESC-Veteran Stojan, der Drummer der Band steht vor seiner dritten Teilnahme, wiederholte noch einmal seinen Rat, alles entspannt anzugehen und diesen großartigen Wettbewerb einfach nur zu genießen. Mit nicht weniger Freude würden sie allerdings auch der Veröffentlichung ihres neuen Albums entgebenfiebern, das im Juli erscheinen soll und neben ihrem ESC-Titel “Intention” noch drei weitere Titel enhalten wird, die in der engeren Auswahl für den ESC standen. Gemeinsam mit dem bulgarischen Fernsehen hätte man sich dann aber für den harmonischsten der vier Titel entschieden.

Etwas ungewohnt wäre es für sie, auf der ESC-Bühne nicht live spielen zu dürfen sondern nur so zu tun. Sie würden natürlich verstehen warum dies aus technischen Gründen notwendig ist, aber wohler würden sie sich fühlen, wenn sie ihre Instrumente live und real spielen dürften. Für den Zuschauer vor dem Fernseher wäre das akustische Erlebnis aber gleich gut.
Mit Maneskin als Sieger im Vorjahr wäre endlich das Gerücht aus der Welt geräumt worden, dass Rock sterben würde. Natürlich habe Rock nicht mehr die Mainstreem-Vorherrschaft wie es in den 80ern oder 90ern der Fall gewesen wäre, aber es wäre immer noch sehr lebendig und für viele Menschen eine Lebenseinstellung.

Die Lieblingslieder aus diesem Jahrgang kommen für die Band aus Moldau, der Ukraine, Serbien, Großbritannien und Kroatien. Ronny ist überhaupt ein großer Eurovision-Fan, obwohl er als Chilene erst 2008 erstmals vom Wettbewerb durch Freunde in Spanien gehört hätte, ihn seit dem aber mit großer Begeisterung verfolgt.

 

(Foto 1, 3: EBU/Screenshot, Foto 2: EBU)

 

 

 

 

 

 

Zweite Probe und Pressekonferenz Ukraine: Musik in die Welt tragen

4. Mai 2022 Frank Albers

Die Bühne erscheint während des Auftritts des Kalush Orchestras dunkelorange mit hell leuchtender Sonne im Hintergrund, dazu spielt die Band optisch mit langen Schatten, die die Musiker auf den Bühnenboden werfen. Folkloristische Symbole umtanzen dabei die Band, auch die Figuren in den, aus der Ferne schwarz-rot-gold leuchtenden, Zottelkostümen sind weiterhin wichtiger Bestandteil der Inszenierung. Zum Ende des Auftritts leuchtet die Bühne in den ukrainischen Farben blau und gelb. Im Hintergrund erscheinen zudem weinende Augen, die durch die defekte Drehsonne aber nahezu verdeckt bleiben und kaum zu erkennen sind, der damit geplante Effekt geht somit weitestgehend verloren. Diese Augen und Tränen aber auch die ebenfalls projizierten Hände sollen die ukrainischen Mütter symbolisieren, für die “Stefania” bereits vor dem Krieg geschrieben wurde. Nach Ausbruch des Krieges hat sich diese Symbolik noch einmal verstärkt und bringt nun die Hoffnung auf neues Leben zum Ausdruck.

In der Pressekonferenz ging es stark um die Auswirkungen des Krieges auch auch auf das ukrainische Ergebnis. Die Prognosen der Buchmacher, die die Ukraine derzeit deutlich auf dem ersten Platz sehen, haben die Mitglieder von Kalush Orchestra wahrgenommen, es war ihnen aber wichtig zu betonen, dass bereits vor Ausbruch des Krieges, das Lied bei den Buchmachern realtiv weit vorne lag. Es ginge also auch um die Qualität des Liedes und die Band hofft, dass, sollten sie gewinnen, das Lied aufgrund seiner Qualität gewählt werden wird.

Dennoch wären sie natürlich allen Fans und Musikerkollegen sehr dankbar für die Untertsützung die die Ukraine in diesen extremen Kriegszeiten erhält. Ganz besonders den Vorjahressiegern Maneskins, die ihr letztes Konzert mit  “Fuck Putin” beendeten. Dies würde sie selbst immer wieder darn erinnern, dass auch eines ihrer Bandmitglieder nicht mit nach Turin kommen konnte, da er in der Armee unabkömmlich gewesen sei und Kiew verteidige. Die übrigen Bandmitglieder durften das Land nur mit einer Sondergenhmigung verlassen, um am ESC und den Pre-Eurovision-Konzerten teilzunehmen. Diese Sonderstellung würde ihr Verantwortunggefühl, die Ukraine zu repräsentieren, noch zusätzlich erhöhen. Nach dem ESC würden sie wieder nach Kiew zurückkehren und dort u.a. in einer Hilfsorganisation zur Unterstützung der Zivilbevölkerung arbeiten.
In Beug auf ihren Beitrag “Stefania” hätte der Krieg die Auswirkung gehabt, dass das Lied international noch stärker wahrgenommen wurde, aber darauf hätten sie selbstverständlich keinen Einfluss. Das einzige was sie tun könnten wäre, ihren Auftritt so professionell wie möglich vorzubereiten. Ein gutes Abschneiden wäre zudem eine wundervolle Auszeichnung für die ukrainische Musik insgesamt, die überdurchschnittlich divers und aufgrund ihrer starken ethnischen Einflüsse auch recht einmalig sei.

Die Frage nach einem möglichen Austragungsort in Europa für den Fall, dass die Ukraine den ESC gewinnen sollte, beantwortete der Sänger voller Hoffnung aber auch Selbstbewusstsein mit “natürlich in der Ukraine, in einer wieder aufgebauten und stolzen Ukraine”.

 

(Foto 1. EBU/Screenshot, Foto 2,3: EBU)