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Meet & Greet San Marino: Achilles kluger Bullenritt

2. Mai 2022 Frank Albers

Es war wenig überraschend, dass einer der wildesten und heißesten Auftritte an diesem Probentag aus San Marino kam. Der italienische Topstar Achille Lauro in Diensten San Marinos ist legendär für seine provokanten und extremen Inszenierungen, die auch ein Grund für seine Popularität in Italien sind. Auf der Turiner Bühne wird Achille im hautengen Strumpfnetz-Kostüm und Cowboyhut zwischen zwei Käfigen auf einem roten Bullen reiten und natürlich darf auch eine Luxus-Federboa nicht fehlen. Der ESC hat in den letzten sechs Jahrzehnten schon einiges gesehen und erlebt, ein heißer Ritt auf einem Bullen ist dann aber tatsächlich mal was Neues.
In der Pressekonferenz zeigte Achille dann seine andere Seite, die des sehr sachlichen und überlegten Künstlers, der klare Vorstellungen von seiner Kunst hat und wie und wo er sie einsetzen will.  Von aufgedonnertem Glamour und Provokationen war bei der Pressekonferenz nur noch ansatzweise etwas zu spüren.
Sehr sachlich schilderte Achille das Konzept hinter seinem Auftritt an dem er sehr lange gearbeitet habe und sich außerordentlich darauf freut, es Europa endlich vorstellen zu können. Obwohl Achille Englisch spricht, war es ihm wichtig auf Italienisch antworten zu können, da er Sorge hatte, sich nicht präzise genug ausdrücken zu können.

 

Die Grundaussage der Inszenierung sei Freiheit, das zu sein was man ist und sein möchte. Dies bedeutet für ihn persönlich, einzigartig zu sein. Aber jeder von uns habe natürlich seine ganze eigene Idee und Vorstellung von Freiheit und die gelte es zu akzeptieren. Von Wettbewerben an sich, egal ob es nun der ESC oder Sanremo sei, hält er nicht sehr viel. Viel wichtiger für ihn sei die Möglichkeit, sich auf einer großen Bühne wie dem ESC ausprobieren und präsentieren zu können. Er würde daher auch nicht spekulieren, wer im Halbfinale eventuell sein größter Konkurrent oder seine größte Konkurrentin sein könnte. Er freue sich auf alle Auftritte gleichermaßen.

Gefragt nach dem Unterschied zwischen Eurovision und Sanremo sagte er, dass dieser gewaltig sei. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Größe sondern vor allem, weil in Sanremo die Proben nicht öffentlich wären. Bis zu Show wisse dort niemand was der jeweilige Interpret genau tun würde. Eine kleine Provokation oder etwas ganz Ausgefallenes zu präsentieren, wie er es mit “Domenica” in diesem Jahr gemacht hätte, sei so viel einfacher und effektiver, weil man alle überraschen könne. Beim ESC sei das aufgrund der riesigen Öffentlichkeit schon bei den Proben vollkommen unmöglich.
“Domenica” haben er für Sanremo geschrieben, ohne den ESC im Hinterkopf zu haben. “Stripper” hingegen sei gezielt für den Eurovision Song Contest von ihm entwickelt worden. Aber er habe auch ein paar andere Titel zur Auswahl gehabt, sich dann aber ganz bewußt für “Stripper” entschieden.

Natürlich interessierte die italiensichen Journalisten vor allem sein Verhältnis zum  Sanremo-Festival, das er in den letzten Jahren stark mitgeprägt habe. Er sei stolz, das aus seiner Sicht bis vor einigen Jahren noch sehr konservative und musikalisch einseitige Festival etwas wachgerüttelt zu haben und für mehr musikalsiche Vielfalt in Sanremo gesorgt zu haben.

Nach dem ESC plant Achille eine große Italien-Tour mit Konzerten in großen Arenen aber auch mit ein paar intimen Clubauftritten.

Das Meet & Greet mit Achille Lazro präsentierte einen Künstler, der auf der einen Seite ein großer musikalischer Provokateur ist und viele Menschen in ästethische Grenzbereiche führt, der andererseits aber auch sehr reflektiert, überlegt und zurückgenommen sein kann.

 

(Foto 1, 3, 4: EBU, Foto 2: EBU/Screenshot)