3. Mai 2022 Reinhard Ehret
Ihre Probe sei lustig gewesen, sagte Cornelia Jakobs. Sie hätte vielleicht deutlicher ihr “Hold Me Closer” rufen sollen, denn ein Sturz und ein verlorener In-Ear-Kopfhörer waren nur zwei von mehreren kleineren Pannen, die die junge Schweden aber nicht aus der Ruhe brachten. Das Gleichgewicht zu halten, macht ihr aber immer mal wieder Probleme, weshalb sie es vorzieht, barfuß auf der Bühne zu sein. War da nicht schonmal was Ähnliches 1967? Egal, denn Cornelia zeigte sich, wie die meisten, sehr fasziniert von der großen Bühne. Das Wort “amazing” fiel natürlich auch hier. Dieselbe Emotion wie beim Melodifestivalen zu erzeugen, wird die große Herausforderung sein, bekannte sie, denn dort war die Bühne kleiner und das Publikum sehr nahe. Hier sei die Distanz zu den Menschen sehr groß und sie müsse wohl viel stärker mit der Kamera kommunizieren als neulich in Stockholm. Dort zu gewinnen sei ein überwältigendes Gefühl gewesen. Und überhaupt: Auf der Bühne zu sein ist für Cornelia wie eine Therapie. Es tut ihr einfach gut herauszufinden, ob ihre Kompositionen und Intentionen die beabsichtigten Wirkungen zeigen. Und offenbar hat das mit “Hold Me Closer” funktioniert, was sich auch durch den 1. Platz im OGAE-Fanvoting manifestiert. Dieses Resultat machte sie sprachlos und sie fühlt sich sehr geehrt durch dieses tolle Kompliment der Song-Contest-Fans.
Ihre Nervosität konnte Cornelia nicht ganz verbergen – oder war das einfach nur eine Marotte, dass sie die kompletten 20 Interview-Minuten lang durch ihren blonden Haarschopf fuhr und an ihrem schwarzen Oberteil zupfte? Vielleicht wirkte aber auch noch die Emotion ihres Liedes nach. Immerhin hat sie es in einer für sie sehr schwierigen Trennungsphase geschrieben und ihr Innerstes darin verewigt. Dass ihr eine absolute Favoritenrolle zukommt, irritiert sie nicht, denn sie hat eigentlich schon erreicht, was ihr wichtig ist: Cornelia will ganz bei sich sein und den Menschen ihre Kunst präsentieren. Und da dies gut angekommen sei, gebe es nun nichts zu verlieren. Ihre erst kurz zurückliegende Covid-Erkrankung habe auch ihr Gutes gehabt, meinte sie: Einerseits legte sie eine Zwangspause ein, andererseits kann sie nun in der nächsten Zeit – hoffentlich – von einer gewissen Immunität ausgehen. Vielleicht macht sie das nun sogar noch stärker als zuvor.
Foto oben: EBU – Foto unten: EBU/Screenshot