30. April 2022 Marc Gehring
Buongiorno Kalush Orchestra in Turin. Seit Wochen dominieren die traurigen Bilder vom Krieg in der Ukraine die Nachrichten. Kein Wunder, dass die Vertreter der Ukraine beim ESC sämtliche Medien ebenfalls in den Bann ziehen. Mit Hochspannung wird daher der erste Auftritt des großen Wettquoten-Favoriten in Turin erwartet. Nur mit einer Sondergenehmigung durften die Bandmitglieder, die Ukraine verlassen und im Vorfeld an einer Promo-Tour teilnehmen. Die EBU verzichtete bei Kalush Orchestra zudem auf die verpflichtende Aufnahme eines sogenannten Back-Up-Videos ihres Wettbewerbssongs “Stefania“, welches ursprünglich in Lemberg gedreht werden sollen, für den Fall, dass die Band nicht live in Turin hätte auftreten können.
Mit rund 30 Minuten Verspätung ist es endlich soweit und die Moderatorin Laura Carusino begrüßt das Kalush Orchestra zum Meet & Greet. Die Bandmitglieder Ihor Didenchuk (war schon bei Go_A mit dabei), Oleh Psiuk, Oleksandr Slobodianyk, Tymofii Muzychuk, Vitalii Duzhyk und Vlad Kurochka sprechen kein Englisch, daher werden ihre Antworten übersetzt.
Mit der ersten Probe war die Band sehr zufrieden. Es gab keine technischen Probleme und so sollen lediglich ein paar Kameraeinstellungen noch optimiert werden. Die Nationalfarben der Ukraine werden auf jeden Fall bei der Inszenierung eine Rolle spielen und so wird die Bühne in gelb und blau erstrahlen. Traditionelle ukrainische Ornamente dürfen bei der Inszenierung ebenfalls nicht fehlen.
Oleh, der Mann mit dem leuchtenden rosa Hut, hat das Lied “Stefania” seiner Mutter gewidmet. Er sagt, dass er zwar eigentlich nicht romantisch sei, aber seine Mutter natürlich gerührt war, dass er ein Lied für sie geschrieben hat. Er erinnert sich an seine Kindheit und seinen Nachhauseweg von der Schule als er seiner Mutter manchmal zur Überraschung Blumen vom Wegesrand pflückte.
Oleh gibt zu, dass der Krieg in der Ukraine die Vorbereitung von Kalush Orchestra für den ESC in Turin natürlich sehr beeinträchtigt hat. Gemeinsame Proben in Kriegszeiten waren unmöglich. Durch eine Sondergenehmigung durften Sie dann aber das Land verlassen und waren vor Turin auf kurzer Promo-Tour in Europa. In kürzester Zeit versuchte die Band so oft wie möglich den Song zu üben. Gerade wegen der Sondergenehmigung sieht sich die Band nun in der Verantwortung als Botschafter der Ukraine das Beste zu geben und Positives zu bewirken.
Dann erzählt Oleh von seinem Jugendidol Eminem. Am liebsten würde er mit ihm mal einen Song aufnehmen. Bei einem Promo-Auftritt in Warschau entstand zudem eine Freundschaft zum polnischen Vertreter Ochman, mit dem die Band gerne in der Zukunft ein gemeinsames Projekt starten möchte. Außerdem freut sich die Band besonders auf The Rasmus (Finnland) sowie Sam Ryder (Großbritannien) und, man höre und staune, auf Malik Harris (Deutschland).
Die Moderatorin fragt dann nach dem Erfolgsrezept der Musik von Kalush Orchestra. Oleh erklärt, dass der Zauber durch den Mix aus traditioneller Folklore und Ethno-Elementen mit modernem Rap und Hip-Hip entsteht. Wir möchten unsere Wurzeln zeigen und gleichzeitig modern sein. Das gilt nicht nur für die Musik, sondern auch für die Outfits, die die Band auf der Bühne trägt.
Zum Ende des Meet & Greet wird es emotional, denn die Band wird nach wichtigsten Stelle im Songtext gefragt. Das ist ganz klar “I will come to you by the broken roads” sagt Oleh mit traurigen Blick und ergänzt, dass er sicher jeder den Grund dafür versteht. Als krönenden Abschluss stimmt die Band dann A Cappella ihren Wettbewerbssong “Stefania” an und sorgt einmal mehr für Gänsehaut-Stimmung.
Auf TikTok sind dann auch erste Schnipsel des Bühnenauftritts zu sehen, der von Oleksii Zhembrovskyi entworfen wurde. Im Gegensatz zum Auftritt beim ukrainischen Vorentscheid Vidbir ist kein Podest zu sehen und auch die Outfits wirken verändert. Besonders ins Auge stechen dabei die zottelig anmutenden Outfits von zwei Bandmitgliedern in den Farben Schwarz-Rot-Gold. Etwa eine versteckte Botschaft an Deutschland?
Fazit: Das über allem schwelende Thema Krieg wurde weitgehend ausgeklammert. Da das Pressezentrum vor Ort in Turin für die Presse noch geschlossen ist, konnten Fragen nur online eingereicht werden. Somit konnten die Themen natürlich gut gesteuert werden. Der ESC-Favorit Kalush Orchestra hat auf jeden Fall geliefert und alles deutet bisher auf eine sichere Finalteilnahme hin.
(Fotos 1,3,4,5: EBU Andres Putting, Foto 2: EBU/Screenshot)