Noch 13 Tage bis zum Eurovision Song Contest 2024

Portugal Probe 1: Unaufdringlich, aber wirkungsvoll

11. Mai 2021 Sigi Doppler

Ganz leise und zurückhaltend beginnen The Black Mamba ihre fast schon perfekte Probe. Zunächst bleibt das TV-Bild schwarz/weiß, während der großartige Leadsänger Pedro Tatanka in schwarzer Abendgarderobe mit tief ausgeschnittener Weste, einer dicken Fliege und weißem Hut in der Bühnenmitte hinter dem Mikrofon steht. Die Band mit zwei Gitarren, Klavier und Schlagzeug befindet sich ganz dezent am hinteren Bühnenrand, um den Solisten sehr unaufdringlich, aber höchst wirkungsvoll zu begleiten.

Schon die ersten Töne, die Pedro absolut virtuos aus sich herausholt, beweisen, dass gerade ein ausgesprochen routinierter Sänger mit einer begnadeten Stimme ein äußerst gefühlvolles Lied auf die Bühne zaubert. Auch die Kamera bewegt sich sehr dezent und passend zur anschmiegsamen Melodie.

Beim Übergang von der ersten zur zweiten Strophe wechselt die über das Fernsehbild ausgestrahlte Beleuchtung von Schwarzweiß auf Farbig, zunächst in ein nächtliches Blau, dann in ein feuriges Rot und schließlich in ein glühendes Orange. Ganz nach dem Motto “Love Is On My Side” erscheinen auf der Videowand Motive, die mit der Liebe in Verbindung stehen, wie beispielsweise ein überdimensional großes Herz.

Obwohl das zweite Halbfinale nach Meinung aller Experten das zweifellos Schwierigere ist, zweifelt nach dieser überzeugenden Probe kaum noch jemand am Einzug Portugals ins diesjährige ESC-Finale.

Fotos: EBU / Thomas Hanses

Bulgarien Probe 1: Das Maerchen geht weiter

11. Mai 2021 Frank Albers

Bulgariens Victoria sitzt mit leuchtend roten Haaren vor einem Sternenhimmel auf einem von Wasser umspülten Felsen, neben sich ein Erinnerungsfoto. Die Projektion ist wunderschön, so wie auch Victorias magische Stimme. Die Inszenierung gehört zu den schönsten des diesjährigen Wettbewerbs und fängt die Atmosphäre des Liedes zauberhaft ein. Victoria wirkt eins mit Lied und Bühnenbild, perfekte Harmonie.

“Growing Up Is Getting Old” ist ein sehr leises Lied, dass Gefahr laufen könnte, im Trubel des zweiten Halbfianls überhört zu werden, aber durch Victoria und die Inszenierung bekommt es eine Kraft, die den Zuschauern und Juroren auf jeden Fall in Erinnerung bleiben wird.

“Growing Up Is Getting Old” ist der erste Beitrag Bulgariens seit 2013, der (offiziell) nicht von Borislaw Milanow (ko-)komponiert wurde. Er stammt aus den Federn von Maya Nalani, Helena Larsson, Oliver Björkvall und Victoria selbst.

 

Fotos: EBU

Albanien Probe 1: Mystisches Karma

11. Mai 2021 Markus Herrmann

Anders als beim albanischen Vorentscheid meisterte Anxhela Peristeri alleine ohne die vier Tänzer den Auftritt. Auch verzichtete sie auf das lange goldfarbene Kostüm und trat in einem mega kurzen silbernen Kleidchen mit schmuckbehangenen kettenhaften Elementen auf.

Ausdrucksstark und hochkonzentriert nahm sie mit ihren Blicken die Kameraführung ein. Im Hintergrund schießen passend zur dynamischen Spannung des Liedes Nebelschwaden hoch und die Atmosphäre wechselte zwischen roten und blauen Farben. Der erste Teil des Beitrags war eher dunkel gehalten und  die Bühne wurde in einem Moment auch ganz schwarz, bis ein lichtdurchflutetes Nebelmeer mit Rauchschwaden ein helles Finale bescherte.

Gesanglich gab es wahrlich nichts auszusetzen und obwohl die albanische Sängerin alleine die Bühne für sich einnahm, lieferte sie ein mystisches Spektakel, das keinesfalls langweilig wirkte.

Fotos: EBU

 

 

 

Georgien Probe 1: Minimalismus pur

11. Mai 2021 Stefan Ball

Der vierte Probentag wird ganz sanft durch den Beitrag aus Georgien eröffnet.

Zwei seitliche Lichtstreifen verdunkeln sich, wodurch ein Tunnel verschwindet. Dann steht und geht da nur noch ein Mann im weißen Hemd zur schwarzen Jeans und ein emotional mitgenommen wirkender Tornike Kipiani fängt an ‘You’ zu singen. Die Stimme sucht dabei die tiefsten Tiefen. Stimmlich ist aber noch deutlich Luft nach oben, außer er will so sein Gefühlschaos noch mehr ausdrücken.

Im Hintergrund wechseln sich dunkelblaue Sturmwolken und Schwärze ab, dazu wird kurz MY LOVE und ein georgischer Schriftzug eingeblendet. Zwischenzeitlich nimmt er leger auf einem Kubus Platz; währenddessen wird das Hemd zur Leinwand für einen Text umfunktioniert und danach verschwindet die Sitzgelegenheit wieder von der Bühne.

 

 

Gegen Ende, wenn das Lied etwas Dramaturgie entfaltet, wird der Hintergrund stellenweise etwas heller. Die Leinwand ist hier aber nicht so herausragend, da überwiegend Nahaufnahmen gezeigt werden.

Mit noch weniger Aufwand lässt sich heutzutage ein Eurovisionsbeitrag wohl nicht mehr auf die Bühne bringen und es stehen schlichtweg das Lied und der Gesang im Vordergrund.

Bild: Giorgi Tsaava

Goedemorgen aus Rotterdam zum 4. Probentag

11. Mai 2021 Frank Albers

Die Morgensonne strahlt über Rotterdam (zumindest hat sie den Kampf mit den Wolken noch nicht ganz aufgegeben) und begrüßt uns zu Tag 4 in der Rotterdamer Eurovision-Blase. Die aktuellen besorgniserregenden Ereignisse in Jerusalem zeigen gerade einmal mehr, wie sehr wir uns in dieser Blase in einem kompletten Paralleluniversum befinden, aber manchmal benötigen wir alle vielleicht diese parallelen Welten, um nicht wahnsinnig zu werden.

Hier in Rotterdam erwartet uns heute die erste Probe der zweiten Starterhälfte des zweiten Halbfinals. Los geht es in den Tag mit Georgien, gefolgt von Albanien, Portugal, Bulgarien, Finnland, Lettland, Schweiz und letztendlich Dänemark.
Verfolgt die aktuellen Berichte des OGAE-Teams von allen Proben und Pressekonferenzen hier bei uns auf ogae.de

Euer
OGAE Team

 

Foto: Frank Albers

Franks Nachtgedanken zum 3. Probentag, 10. Mai

10. Mai 2021 Frank Albers
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Polen Meet & Greet: Der Ringer und der Musiker

10. Mai 2021 Sigi Doppler

Rafal kam mit seinen vier Tänzern und seinem Backgroundsänger, der ihn im Hintergrund der Bühne gesanglich begleitet, zum Meet & Greet und stellte gleich klar: “Für uns ist es wichtig, gemeinsam Freude zu haben, sowohl auf der Bühne, wie auch nach unseren Auftritten. Darum sind wir jetzt auch miteinander hierher zu Euch gekommen, um unsere Freude mit Euch zu teilen.”

Früher, so erzählte der bald 40jährige, war er als Freistilringer sportlich unterwegs. Als Dritter bei der polnischen Meisterschaft waren sogar die Olympischen Spiele in greifbarer Nähe. Daraus wurde aus Verletzungsgründen bekanntlich nichts, doch ein Kämpfer, wie er einer ist, fand in der Musik eine zweite Leidenschaft, die ihn nun zur Olympiade der Popmusik, dem Eurovision Songcontest brachte. Auch hier ist sein Credo so gut zu sein, wie nur möglich und immer noch ein bisschen besser zu werden.

Auf die Frage, ob ein Sportler oder ein Musiker schwerer arbeiten muss, um Erfolg zu haben, antwortete er: “Als Sportler musste ich mich sehr fokussieren und intensiv und hart trainieren. Das ist für einen guten Musiker, der Erfolg haben will, ganz genauso. Ohne Fleiß keinen Preis und es gibt immer Dinge, die noch verbessert werden müssen. Die Hauptsache aber ist, dass einem das, was man tut, Spaß macht, denn nur dann wird man auch erfolgreich sein. Man will der Beste sein, bei sportlichen Großveranstaltungen genauso wie beim Songcontest und darum sind wir jetzt auch hier.”

Da Rafal im polnischen Fernsehen auch als Moderator tätig ist und beispielsweise bei der polnischen Vorentscheidung zum Junior Eurovision Song Contest durch das Programm führte, wurde er von einem der Journalisten gefragt, was ihm mehr liegt, die Tätigkeit als Moderator oder als Sänger? Daraufhin meinte Rafal ganz selbstverständlich: “Als Sänger musst Du Deine Performance genau so überzeugend und energiegeladen bringen, wie als Moderator. Da gibt es keinen Unterschied, außer dass man auf der einen Seite singt und auf der anderen spricht.”

Zum Schluß der Konferenz stand Rafal von seinem Stuhl auf und begann “The Ride” a cappella zu singen. Auch sein Backgroundsänger stimmte, allerdings ohne Mikrofon, in diesen tollen Gesang ein. Dann erhoben sich seine vier Tänzer aus ihren Sesseln, um dem Ganzen auch tänzerisch ihren Stempel aufzudrücken. Ein wunderbarer Abschluss einer sehr unterhaltsamen und informativen Pressekonferenz.

Fotos: Reinhard Ehret

Serbien Meet & Greet: In Hurricane steckt viel ESC-Erfahrung

10. Mai 2021 Wolfgang Grube

Im letzten Meet & Greet des 3. Probentages ist das gut gelaunte Team Hurricane zu Gast. Kein Wunder, Sanja, Ksenija und Ivana sind sehr mit ihrer 1. Probe zufrieden (We’re thrilled”). Mit dabei sind ihre 3 Backing Vocalists, auf die sie – trotz der Möglichkeit, mit Band zu arbeiten – auf keinen Fall verzichten wollen. Mit dem diesjährigen Beitrag für Serbien geht geballte ESC-Erfahrung an den Start. Ksenija stand 2015 mit ihrem Papa bereits auf der ESC-Bühne und Sanja war ein Jahr später mit Goodbye in Stockholm dabei. Mladen, einer der Chorsänger, war Mitglied der Gruppe Balkanika, die in Lissabon angetreten ist.

So ist es wenig verwunderlich, dass sich die Fragen hauptsächlich rund um ehemalige ESC-Beiträge und Lieblingssongs drehte. Und angesungen wurden die Lieblingstitel von Hurricane-Team zur Freude aller auch gleich. Was die diesjährigen Beiträge anbelangt steht Italien bei Hurricane ganz hoch im Kurs.

Als bisher größtes musikalisches Highlight bezeichnet die 2017 Gruppe ihren Auftritt vor 15.000 Menschen in der Belgrad-Arena.

An Loco Loco wurde lange gefeilt. Die Version, die wir jetzt in Rotterdam erleben, ist die fünfzehnte. Zu Ivana ist noch zu sagen, dass sie professionell ausgebildete Tänzerin ist. Ihr passierte im ersten Proben-Durchlauf heute ein harmloser Ausrutscher, der allerdings nichts am guten Gefühl für den ersten Durchgang geändert hat. Eine echte Herausforderung ist, da sind sich alle einig, die anspruchsvolle Choreografie, weil jedem Wort ein bestimmter Move zugeordnet ist (und obendrein die Schuhe ziemlich unbequem sind). Aber die haben die drei gut im Griff.

Zum Schluss gab’s noch die Frage nach dem besten ESC-Beitrag Serbiens: wen überrascht’s? Die Antwort lautet natürlich: Molitva (die eigenen Beiträge ausgenommen).

Fotos: Reinhard Ehret und Screenshots Meet & Greet

 

Estland Meet & Greet: Lucky Uku

10. Mai 2021 Sigi Doppler

Uku Suviste brachte zu seinem Meet & Greet auch den Leiter der estnischen Delegation mit. Beide zeigten sich äußerst zufrieden mit dem Verlauf dieser ersten Probe, denn erst jetzt sei klar geworden, dass die ganze Inszenierung, die man zuhause einstudiert hatte, auch auf diese Bühne haargenau passt.

Uku erzählte, wie sehr er es sich nach der enttäuschenden Absage des Songcontests im letzten Jahr gewünscht hatte, auch 2021 nochmals eine Chance zur Teilnahme am Vorentscheid Estlands zu erhalten. Als die Zusage kam, komponierte er sogleich mit Feuereifer an einem neuen Lied und dabei ist “The Lucky One” heraus gekommen. Der Unterschied zwischen seinem ebenfalls selbst komponierten Song des letzten Jahres “What Love Is” und dem diesjährigen Beitrag  sei, dass er diesmal noch mehr Gefühle und Emotionen in seine Komposition legen konnte.

Schon seit langem sei er ein großer Fan des ESC und um die Frage zu beantworten, welches Lied von allen estländischen Beiträgen ihm am besten gefällt, musste er nicht lange überlegen. Es ist natürlich der Grand-Prix Sieger von 2001 “Everybody” von Tadel Radar und Dave Benton. Vor allem die Energie, die diese beiden damals auf der Bühne versprühten, hat ihn beeindruckt und inspiriert. Außerdem gehört Ott Lepland’s Lied “Kuula”, das 2012 beim ESC sechster wurde, zu seinen absoluten Lieblingsliedern.

Die große Liebe zur Musik hat er jedoch seiner Mutter zu verdanken, die eine klassische Gesangsausbildung hatte, aber nie selbst auf einer Bühne stand, weil sie zu selbstkritisch war und wohl meinte, ihre Stimme wäre nicht gut genug für die Öffentlichkeit. Stattdessen habe sie zuhause ständig Lieder und Opernarien gesungen, was den kleinen Uku animierte, selbst einmal vor die Mikrofone dieser Welt zu treten.

Aus dem Auditorium kam dann noch die Frage, ob man im Falle eines Sieges nach exakt 20 Jahren in Estland gerüstet sei, den ESC ein weiteres Mal auszutragen. Darauf antwortete der anwesende Delegationsleiter, dass man darüber im ganzen Land hocherfreut wäre. Das Land und die Organisatoren wären gerne dazu bereit und selbstverständlich auch wieder in der Lage einen großartigen Songcontest auf die Beine zu stellen.

Zum Schluss wurde Uku gefragt, ob er noch was singen wolle. Daraufhin rief er seinen Backgroundsänger Carl, der ebenfalls im Saal saß, auf die Bühne. Dann sangen die beiden Jungs a cappella den Refrain von “The Lucky One” und spätestens jetzt konnte sich jeder davon überzeugen, dass Uku nicht nur ein ausgesprochen hübscher Kerl, sondern auch ein zweifellos erstklassiger Sänger ist.

Fotos: Reinhard Ehret

Island Meet & Greet: Unsere Tochter heisst jetzt Laura

10. Mai 2021 Frank Albers

Wie die Probe war natürlich auch das Meet & Greet der Isländer ausgesprochen cool. Die ganze Band versammelte sich auf der kleinen Bühne und stellte ihre ESC-Lieblingslieder vor. Interessanterweise sind mehrere Mitglieder von Gagnamagnið große Fans von “Divine” (Frankreich 2008). Daði wurde ESC-technisch in Dänemark sozialisiert, wo er als Kind lebte. Auch wenn seine Nachbarn dort vor allem andere Isländer und Färinger waren, so sind seine ESC-Lieblingslieder bis heute “Smuk som et stjerneskud” (DK 2000) und “Der står et billede af dig på mit bord” (DK 2001).
Überhaupt ist der ESC recht präsent im Leben der Band und so ist auch ihr Auftritt 2021 gespickt mit Anspielungen auf frühere ESC-Beiträge: Der springende Delphin als Zitat aus Yohannas Aufritt 2009 in Moskau, der kreisrunde Synthesizer wurde von Rumänien 2014 abgeguckt, die Drums sind von Ruslanas “Wild Dances” inspiriert.
Die heutige Probe wurde kräftig gelobt, alles sei super gut gelaufen, bis auf einige technische Kleinigkeiten. Die Bühne sei beeindruckend aber nicht überwältigend. Fasziniert hätte sie vor allem, dass da, wo normalerweise alte Klebestreifen ihre Bühnenposition markieren würde, hier in Rotterdam ihre Namen auf dem Bühnenboden stehen. Große Showwelt!

Höhepunkt des Meet & Greet war aber natürlich die spontane Entscheidung, dass Daði und seine Frau Árný Fjóla ihre Tochter Laura nennen werden, auch wenn Daði damit von Árný Fjóla einigermaßen überrumpelt wurde (“Are we going to decide this here and now?”).

Fotos: Frank Albers